Wie auch ein gebrochenes Bein gerichtet und behandelt werden muss, so braucht auch eine gebrochene Seele Unterstützung und Behandlung. Beides braucht Zeit und Geduld, um zu heilen.
Wie das Wort „Episode“ schon sagt, sind Depressionen in der Regel vorübergehend. Sie sind durch Fachkräfte gut zu behandeln und die Heilungschancen sind groß. Die erste Anlaufstelle ist immer die Arztpraxis. Das muss nicht direkt eine fachärztliche Praxis sein. Auch die*r vertraute Hausärzt*in kann Erstindikation leisten und mit der betroffenen Person besprechen, welcher weitere Weg hilfreich sein kann. Bei einer leichten bis mittelschweren Depression kann eine psychotherapeutische Behandlung sehr gut helfen. Spätestens aber ab einer schweren depressiven Episode ist eine vorübergehende medikamentöse Unterstützung meist notwendig. Sie sollte jedoch möglichst nur eine kurzzeitige Hilfe sein, um sich für eine Psychotherapie motivieren zu können. Tabletten alleine können auf Dauer definitiv nicht helfen, daher ist eine zumindest begleitende Psychotherapie unbedingt angeraten. Es gilt, mit fachlicher Hilfe die trüben und pessimistischen Gedanken des Betroffenen umzustrukturieren und so wieder Licht in sein Leben zu bringen und ggfs. einzunehmende Antidepressiva baldmöglichst absetzen zu können.
Wie erkenne ich, dass jemand, der mir nahesteht, möglicherweise depressiv ist?
Es gibt aus psychologischer Sicht einige entscheidende Symptome. Angehörige sollten die Möglichkeit einer Depression in Erwägung ziehen, wenn die betroffene Person über mindestens zwei Wochen anhaltend
- bisher gern gemachte Tätigkeiten lustlos ablehnt
- von starken Schuldgefühlen und Hoffnungslosigkeit spricht
- keine Freude mehr empfindet
- teilnahmslos und lethargisch wirkt, sich zurückzieht
- oft weint
- sich selbst vernachlässigt (ungepflegtes Aussehen, mangelnde Körperhygiene)
- reizbar ist und grundlos aggressiv reagiert
- wenig isst, sichtbar Körpergewicht verliert
- über Schlafstörungen und ggf. sehr frühes Wachwerden am Morgen klagt
- ständig müde ist
- keine Lust mehr am Sex hat
- über körperliche Beschwerden klagt, für die es keine medizinische Begründung gibt (z. B. Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle…)
- davon spricht, sich das Leben zu nehmen
Es kommen in der Regel nicht alle genannten Wesensveränderungen vor. Aber wenn mindestens vier davon über mehr als zwei Wochen hinweg deutlich wahrgenommen werden, ist der Gang zur Arztpraxis und / oder psychotherapeutischen Praxis dringend angeraten.
Es ist die Krankheit der betroffenen Person – lassen sie sie nicht zu ihrer werden.
10 Tipps für Angehörige und Freunde
1. Bleiben Sie geduldig
Menschen mit Depressionen fordern ihren Mitmenschen sehr viel ab. Doch sie können sich eben nicht einfach mal so aus ihrem tiefen schwarzen Loch befreien – so liebend gerne sie es auch würden. Es braucht Zeit und ganz viel Geduld. Die Schritte, die gegangen werden können, sind klein. Manchmal hilft es schon, Hinweise zu geben wie z. B. ein Duschgel und Handtuch bereitzulegen, damit die betroffene Person sich wieder einmal seinem Äußeren zuwendet.
2. Haben Sie keine Kontakt-Hemmungen
3. Akzeptieren Sie, dass es dem Betroffenen schlecht geht.
4. Unterstützen Sie die betroffene Person, sich Hilfe zu suchen
5. Nehmen Sie es nicht persönlich – Sie sind nicht gemeint
Menschen, die unter Depressionen leiden, ziehen sich zurück. Sie wollen nichts unternehmen und niemanden sehen – auch Sie nicht. Diese Ablehnung wirkt mit der Zeit verletzend. Dennoch seien Sie versichert, dass nicht Sie damit gemeint sind. Hier handelt die Krankheit, nicht die Person. Für Depressive werden einfachste Dinge zu unüberwindbaren Hindernissen. Unter anderem deshalb fühlt sich die*r Depressive als Versager*in und wird von massiven Schuldgefühlen und dem Empfinden der eigenen Wertlosigkeit geplagt. In den besseren Phasen wird sie*r dann auch wieder zugänglicher.
6. Seien Sie für den Betroffenen da ohne sich aufzudrängen
Wie oben schon beschrieben, sind gut gemeinte Ratschläge wirkungslos. Auch wenn ein Betroffener es schafft, Aufforderungen wie „Geh mal wieder unter Leute“ tatsächlich einmal nachzugehen, fühlt er sich damit meist kein bisschen besser. Es hilft jedoch enorm, deutlich zu machen, dass Sie für ihn da sind, wenn er Sie dann doch braucht. Drängen Sie sich nicht auf, sondern vermitteln Sie lediglich wertfreie Akzeptanz und Hilfsbereitschaft. Wenn die betroffene Person sich dann bei Ihnen meldet, halten Sie bitte Ihr Versprechen auch ein! Anderenfalls würde es das Gefühl, nichts wert zu sein, noch verstärken.
7. Bleiben Sie zuversichtlich
Manchmal empfinden auch die Mitmenschen das Gefühl der Ausweglosigkeit. Doch machen Sie sich bewusst: Depression ist eine Krankheit, die gut behandelbar und vor allem auch heilbar ist. Es hilft besser damit umzugehen, wenn Sie sich und dem Betroffenen bewusst vor Augen führen, dass die Erkrankung vorübergeht.
8. Helfen Sie, Entscheidungen zu treffen
Depressive Menschen können oft keine rationalen, logischen Entscheidungen treffen. Hier können Sie helfen, Möglichkeiten nach objektiven Merkmalen abzuwägen. Verschieben Sie aber Entscheidungen zur privaten oder beruflichen Zukunft nach hinten. Die haben erst wieder Raum, wenn es dem Betroffenen deutlich besser geht.
9. Nehmen Sie suizidale Bemerkungen ernst
Wenn die depressive Person davon spricht, nicht mehr leben zu wollen, werden Sie hellhörig. Für Laien ist es schwer zu unterscheiden, wie ernst es ihr damit ist. Sobald Bemerkungen kommen wie „Ich kann nicht mehr“, „Besser, ich wäre nie geboren worden“ oder „Besser, ich wäre nicht mehr da“, ist das immer ernst zu nehmen. Bleiben Sie bei ihr und reden Sie mit ihr darüber. Allein, darüber sprechen zu dürfen, kann den Suizidgedanken schwächen. Sollten Sie dennoch nur die geringsten Bedenken haben, die*r Betroffene könnte sich selbst etwas antun wollen, holen Sie sich psychologische Unterstützung. Rufen sie die*n behandelnden Ärzt*in oder Therapeut*in oder den Sozialpsychologischen Dienst an. Weitere Notrufnummern finden Sie hier: Adressen für den akuten seelischen Notfall. Sollte sich die Situation dramatisch zuspitzen, scheuen Sie sich nicht, den Rettungsdienst Tel. 112 anzurufen. Bleiben Sie bis zum Eintreffen der Hilfeleistenden bei der betroffenen Person und sprechen Sie beruhigend auf sie ein.
10. Achten Sie auch gut auf sich – und Ihre Kinder
Die negative Stimmung der erkrankten Person neigt dazu, sich auch auf die Mitmenschen niederzuschlagen. Daher ist es sehr wichtig, dass Sie Ihr eigenes Leben möglichst aktiv weiterführen. Treffen Sie sich regelmäßig mit Freund*innen, bewegen Sie sich so oft wie möglich an der frischen Luft, machen Sie Sport bzw. all das, was Ihnen selbst Freude bereitet. Sie können mit der erkrankten Person auch feste Gesprächszeiten ausmachen, in denen Sie ganz für sie da sind. Die übrige Zeit konzentrieren Sie sich jedoch überwiegend auf sich selbst.
Auch Entspannungsverfahren können sehr gut unterstützen und Ressourcen schaffen.
Haben Sie gemeinsame Kinder, dann nehmen Sie diese unbedingt mit ins Boot. Die Erkrankung vor ihnen zu verschweigen, könnte fatale Folgen haben. Ihre Kinder sind sehr feinfühlig, sie bekommen sehr viel mehr mit als Sie vielleicht denken. Sprechen Sie offen mit ihnen darüber, dass der Vater oder die Mutter krank ist, dass es eine schwierige Zeit ist, diese aber irgendwann vorübergeht. Je nach Alter Ihrer Kinder ist es auch ratsam, die Klassenleitung und den schulpsychologischen Dienst hinzuzuziehen. Diese können für notwendige mentale Unterstützung sorgen. Und für Ihre Kinder gilt dasselbe wie für Sie: ermuntern Sie sie zu (körperlichen) Aktivitäten, die ihnen Spaß machen. Sie sollten auch so viel Zeit wie möglich mit anderen Kindern verbringen.
Wird es doch einmal zu viel, scheuen Sie sich nicht, selbst therapeutische Hilfe für sich und ggf. auch für Ihre Kinder zu suchen. Dass es Ihnen und Ihren Kindern so gut wie möglich geht, ist der beste Weg für sich selbst und den Betroffenen durch diese schwere Zeit zu kommen.
Wichtiger Hinweis: